Doppelhaushalt 2020/2021

Haushaltsrede vom 05.12.2019:

 

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,

verehrte Kolleginnen und Kollegen,

meine Damen und Herren, 

 

für uns überraschend wurde in der Stadtverordnetenversammlung vom 31. Oktober 2019 von unserem Bürgermeister ein Doppelhaushalt für die Jahre 2020 und 2021 eingebracht.

 

Ein Doppelhaushalt entzieht uns jeglichen Spielraum.

 

Warum wird uns also ein Doppelhaushalt vorgelegt?

 

Weil unser Bürgermeister sich dazu entschieden und der Magistrat nicht widersprochen hat.

 

Dem Haushaltsentwurf konnten wir dann weitere Gründe dafür entnehmen:

-         Weniger Verwaltungsaufwand für die einzelnen Fachämter - Wirklich?

-         Höhere Konzentration auf die jeweiligen (Bau-)Maßnahmen - Für welche ist denn Geld da?

-         Freiwerdende Ressourcen in der Kämmerei können zur Aufarbeitung der Rückstände der Gemeinde Glashütten genutzt werden - Aha!

 

Und wird hier nicht vielmehr ein wichtiger Grund vergessen?

 

Der Bürgermeister kann sich den Rücken für das Wahljahr freihalten.

 

Denn - Mitte nächsten Jahren gehen wir in den Kommunalwahlkampf.

 

Mit einem Doppelhaushalt entfallen die Haushaltsberatungen Ende nächsten Jahres.

Der Bürgermeister muss sich somit nicht mit der Erstellung eines Haushalts befassen und unseren Bürgerinnen und Bürgern keine finanziellen Hiobsbotschaften überbringen.

 

Der uns vorgelegte Doppelhaushalt ist in unseren Augen nicht konform mit den Bestimmungen der Hessenkasse und schon gar nicht mit einigen vom Parlament gefassten Beschlüssen.

 

So wurde z.B. im Einvernehmen mit dem Stadtelternbeirat beschlossen, dass die Kita-Gebühren jährlich evaluiert werden und die Gebührenordnung entsprechend angepasst wird.

Das ist jetzt nicht möglich - hier wird ein Beschluss ignoriert.

 

Im Juni wurde von der Stadtverordnetenversammlung mehrheitlich eine Nachhaltigkeitssatzung beschlossen und ein Generationenbeitrag festgelegt.

Diese Satzung sieht vor, dass und wie - der Generationenbeitrag jährlich neu den Gegebenheiten anzupassen ist.

Auch das ist jetzt nicht möglich - auch hier wird ein Beschluss ignoriert.

 

Gleich auf den ersten Blick war uns klar, dass der Haushalt - nur um ihn als ausgeglichen bezeichnen zu können - "schöngerechnet" wurde.

 

Selbstverständlich hat sich unsere Fraktion intensiv mit dem Haushalt befasst, ihn diskutiert und beraten.

Dabei hat sich unser Eindruck nur verstärkt, dass hier "schöngerechnet" wurde und Vorgaben "umschifft" wurden.

 

Es müssen wieder Kredite aufgenommen werden und wir haben somit statt eines Schuldenabbaus wieder eine Neuverschuldung.

 

Eine Neuverschuldung, für die es keinen Gegenwert, wie eine Investition z. B. für grundhaft sanierte Straßen gibt.

 

Eine Neuverschuldung, für die nicht nur die Kreditsumme zurückzuzahlen ist, sondern für die auch Zinsen und Tilgung zu zahlen sind und welche mit einzurechnen gewesen wären.

 

Bereits im Vorbericht bestätigt der Bürgermeister, dass der Liquiditätskreditrahmen erhöht werden muss und der im Rahmen der Hessenkasse geforderte Liquiditätspuffer nicht erreicht wird.

 

Somit ist davon auszugehen, dass der vorgelegte Haushaltsentwurf nicht genehmigungsfähig sein dürfte.

Nicht nur durch unsere direkte Aufsichtsbehörde - dem Landrat - nicht, sondern auch nicht durch das Regierungspräsidium, dem er in diesem Fall als oberste Aufsichtsbehörde auch vorgelegt werden muss.

 

Hier dann hinzugehen und den Generationenbeitrag herabzusetzen - nur um bei den Bürgerinnen und Bürgern schön dazustehen - ist Augenwischerei und fern der Realität.

 

Bereits bei den letzten Haushaltsberatungen für den aktuellen Haushalt hatten wir auf einige Ungereimtheiten und Unsicherheiten hingewiesen. Auch dieser war schon schöngerechnet und nicht realistisch - wie der Ad-hoc-Bericht im Frühjahr und der Nachtragshaushalt auch bewiesen haben.

 

Klar ist, eine Kommune kann nicht wirklich frei entscheiden, wofür sie Geld ausgeben will.

 

Es gibt zu viele Aufgaben, zu denen sie verpflichtet ist.

 

Ja, eine besonders große Verpflichtung ist die Kinderbetreuung. Es gibt nun mal einen Rechtsanspruch darauf.

Aber gerade diese Verpflichtung und auch die Bedürfnisse und Belange unserer Eltern nehmen wir sehr ernst.

Doch hier investieren wir sinnvoll unser Geld - investieren wir in die Zukunft.

 

Leider war in den vergangenen Monaten von einer wirklichen Zusammenarbeit des Parlaments zum Wohle der Stadt nicht immer die Rede.

 

Einigen Fraktionen war anscheinend die Kommunalpolitik nicht mehr wichtig genug.

Sie sahen Partei-, Bundes- und Landespolitik als wichtiger an.

Schade.

Für uns kommt zuerst die Stadt Neu-Anspach.

 

Geschimpfe - etwa auf die Landesregierung und auf von ihr geplante Maßnahmen helfen uns hier nicht weiter.

 

Im Gegenteil:

Durch das Ende Oktober verabschiedete Gesetz "Starke Heimat Hessen" wird Neu-Anspach besser dastehen und werden uns z.B. gerade im Kita-Bereich gezielt Gelder zur Verfügung gestellt.

 

Dass dieses Plus im Haushalt berücksichtigt wird, dafür sorgten wir, indem wir auf Klärung bestanden, wie und in welcher Höhe Neu-Anspach Geld erwarten darf.

Laut der Modellrechnung des Finanzministeriums ist für Neu-Anspach hier ein zweckgebundener Betrag von EUR 320.000,00 vorgesehen.

 

Uns wurde zunächst mitgeteilt, dass dieser zwar in den Haushalt eingearbeitet war, jedoch wieder herabgesetzt wurde, da sich die Erhöhungen der Landeszuweisungen angeblich bereits in der höheren Schlüsselzuweisung widerspiegeln würden.

 

Nachdem wir dies in der ersten Beratungssitzung angezweifelt und um Klärung gebeten hatten, musste der Bürgermeister - nach einem Telefonat mit dem Ministerium - in der Folgesitzung zugeben, dass er hier falsch lag und wir noch den Betrag abzüglich eines Sicherheitspuffers einrechnen konnten.

 

Auf welcher Grundlage entscheiden wir hier heute überhaupt?

 

Im Haushalt fehlen einige wichtige Entscheidungsgrundlagen.

Z.B. die Haushaltspläne der evangelischen Kindergärten und der Waldwirtschaftsplan.

Sind die Zahlen im Haushalt etwa aus der Luft gegriffen?

Wenn nicht, warum bekommen wir Stadtverordneten dann keine vollständigen Unterlagen zur Verfügung gestellt?

Es kann nicht sein, dass das Parlament ohne Grundlage entscheiden soll.

 

Gerade im Bereich Forst - Bewirtschaftung des Stadtwaldes - hat sich gezeigt, dass wir es hier mit Widrigkeiten zu tun haben, die uns Jahre, ja Jahrzehnte beschäftigen werden.

Vor allem auch finanziell.

 

Bereits im letzten Jahr, als das Parlament mehrheitlich die Beendigung der Zusammenarbeit mit Hessenforst und eine Eigenbeförsterung beschlossen hatte, hatten wir GRÜNEN auf verschiedene Unwägbarkeiten hingewiesen.

 

Es war sowieso nur eine geringe Einsparung vorgesehen.

Und immer größere Schäden im Wald zeichneten sich schon ab.

 

Unsere Forderung nach "Zahlen, Daten, Fakten, Menschen, Maschinen" - nach konkreten und realistischen Informationen - wurde viel belächelt und abgetan.

 

Mittlerweile hat uns die Realität überholt.

 

Unseren Wald - so wie wir ihn kannten - gibt es nicht mehr.

Unseren neuen Förster beneiden wir hier nicht um seine Aufgaben.

Und alleine kann er diese nicht bewältigen - hier werden mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Wald und in der Verwaltung nötig.

 

Mit unserem Wald können wir aber auf lange Sicht - und hier reden wir nicht über 3, 4 Jahre, sondern über 30, 40 Jahre - keine nennenswerten Erträge mehr erzielen.

 

Im Gegenteil - wir werden viel Geld ausgeben müssen für Neuanpflanzungen, für Hege und Pflege.

 

Im Haushalt sind für die nächsten beiden Jahre aber gleichbleibend hohe Einnahmen angesetzt.

 

Wie soll das möglich sein?

 

Wir freuen uns allerdings, dass unsere Anregung bzw. Bitte um Information und Einbindung unserer Bürgerinnen und Bürger so schnell umgesetzt wurde und in dem Projekt "WaldLiebe" aufgegangen ist.

Erste Aktionen - z.B. das Pflanzen eines Esskastaninen-Hains - sind bereits erfolgt, die allerdings ohne die Unterstützung von diversen Sponsoren - vielen Dank an dieser Stelle - kaum möglich wären.

 

Zum Personal - zum Stellenplan:

 

Auch wenn es schwerfällt, wenn ausscheidende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erst einmal nicht ersetzt und ihre Arbeit anderweitig auf vorhandene Schultern verteilt werden muss, haben wir einer erneuten Wiederbesetzungssperre über 6 Monate zugestimmt, da hier Gelder eingespart werden können.

 

Ausgenommen davon sind Stellen im Rahmen der IKZ mit anderen Kommunen und die Stellen im Bereich der Kinderbetreuung.

 

Erfreut haben wir zur Kenntnis genommen, dass wir - nach Streichungen im letzten Jahr - wieder mehr Ausbildungsplätze einrichten werden, vor allem auch im Bereich Erzieherinnen/Erzieher.

 

Die Ausbildung von jungen Menschen ist uns generell sehr wichtig und wenn wir hier unseren eigenen Nachwuchs ausbilden - gerade in einem Bereich, in dem der Markt leergefegt ist und wir seit Jahren nicht alle erforderlichen Stellen besetzen können - freut uns das umso mehr.

 

Für die Wirtschaftsförderung ist im Stellenplan eine zweite halbe Stelle vorgesehen.

Diese war zunächst mit einem Sperrvermerk mit Aufhebung durch den Magistrat versehen.

Auf unseren Antrag hin, wird nun eine Aufhebung durch die Stadtverordnetenversammlung nötig sein, so dass nicht einfach eine Erweiterung in diesem Bereich erfolgen kann.

 

Das hier eingesparte Geld kann deshalb für die wichtige Stelle des Gerätewarts für unsere Freiwilligen Feuerwehren verwendet werden.

Die Kosten für diese Stelle waren vom Magistrat gestrichen worden und nicht im Haushalt vorgesehen.

Doch das können wir nicht verantworten.

Unsere Feuerwehrfrauen und -männer setzen sich Tag für Tag für unser aller Sicherheit ein.

Da ist es eine Selbstverständlichkeit, dass diese mit gutem und immer geprüftem Material in den Einsatz gehen!

 

Sicherheit geht vor Einsparungen!

 

Die Finanzen geben im Stellenplan keinerlei Spielraum für eigentlich notwendige Positionen.

 

Wie z.B. die einer Klimaschutzmanagerin bzw. eines Klimaschutzmanagers.

 

Neu-Anspach ist seit gut 10 Jahren Kommune für den Klimaschutz und müsste eine solche Stelle haben.

 

Wie wichtig diese wäre, zeigt sich an vielen Stellen.

Besonders deutlich z.B. in unserem Wald, der mittlerweile durch sich rasant verändernde Bedingungen - wie Ausbreitung des Borkenkäfers oder Trockenheitsschäden durch Klimaveränderung - ein total verändertes Landschaftsbild zeigt.

 

Wir haben deshalb veranlasst, dass es in den nächsten 2 Jahren Aufgabe sein wird, sich um die Schaffung der Stelle eines Klimaschutzmanagers zu kümmern.

 

Wir haben den Haushalt intensiv mitberaten und uns eingebracht, wo immer wir Möglichkeiten sahen. Einigen Punkten konnten wir deshalb auch zustimmen.

 

Insgesamt zeigt der Haushalt für uns aber zu viele Unwägbarkeiten und deshalb können wir ihm insgesamt nicht zustimmen.

 

Seit Jahren ist der Haushalt im Bereich Sach- und Dienstleistungen auf ein Minimum ausgelegt. Und auch in diesem Doppelhaushalt wurde hier wieder eine pauschale Kürzung vorgenommen.

 

Ein Nachtragshaushalt ist sozusagen wieder vorprogrammiert.

 

Denn es muss klar sein:

 

Bei allen gebotenen Sparmaßnahmen müssen die Fachabteilungen noch handlungsfähig bleiben.

"Totsparen" hilft niemandem.

 

Und einen Spielraum, um irgendetwas wirklich gestalten zu können, haben wir auch mit diesem Haushalt nicht, werden wir sicherlich auch nicht mit dem nächsten haben.

 

Spätestens seit den Beratungen am letzten Montag über das - nun doch wieder notwendig gewordene - Haushaltssicherungskonzept wissen wir nämlich, dass - nach derzeitigem Stand - ein realistisches Datum dafür nicht vor 2037, also in etwa 17 Jahren sein dürfte.

 

Wir haben immer gesagt, dass es nicht hilft, einen irgendwie ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren, bei dem klar ist, dass ein Nachtragshaushalt vorprogrammiert ist.

 

Es wäre ehrlicher, einen realistischen Haushalt vorzustellen - auch wenn das nicht immer angenehm ist.

 

Wir bedanken uns bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Fachabteilungen für ihre Arbeit.

 

Ihnen allen wünschen wir eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

 

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

 

- es gilt das gesprochene Wort -

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